60 Tage Sri Lanka: Medizin, Menschen, Meer

 

Sri Lanka
Pflegepraktikum (vor dem Studium)
60 Tage
Helena Speiser
Jan. 2025
travel4med

Entscheidung fürs Auslandspraktikum

Zwischen Reisehunger und Zukunftsfrage – warum ich mich für Sri Lanka entschieden habe

Ich wollte nach dem Abi nicht direkt mit dem Studium beginnen, sondern erst mal etwas von der Welt sehen und auch die 3 Monate Pflegepraktikum vor dem Studium fertig machen. Dann habe ich auf Insta Werbung von travel4med gesehen und entdeckt, dass ich bei euch genau diese beiden Pläne verbinden kann. Ein Auslandspraktikum fand ich noch spannender als einfach nur so zu reisen, weil ich mir erhofft habe, so einen persönlicheren und besseren Einblick in die Kultur eines Landes zu bekommen und in dieser Zeit gleichzeitig medizinisch mehr zu lernen als während eines Praktikums in Deutschland. Ich wollte neue Menschen mit ähnlichen Interessen kennenlernen und einfach mal raus aus der Komfortzone. Für Sri Lanka habe ich mich entschieden, weil ich mir dort die Möglichkeiten an Freizeitgestaltung vielfältiger als in Nepal vorgestellt habe. (Der Standort Bali war zum Zeitpunkt meiner Buchung noch nicht fertig.)

Vorbereitung & Organisation

Klar, organisiert und persönlich – warum ich mich von Anfang an gut begleitet gefühlt habe

Da ich sehr weit im Voraus gebucht habe, hatte ich genug Zeit, mich über alle nötigen Impfungen etc. zu informieren. Da habe ich mich an eurer Impfübersicht auf Insta orientiert. Eure Videoanleitung zur Buchung des Visums fand ich super hilfreich, vor allem weil mich die ständigen Änderungen der Visabestimmungen vorher etwas verunsichert haben. Auch die Packliste war super. Insgesamt habe ich mich echt gut vorbereitet gefühlt, vor allem weil Celina bei Fragen immer super schnell geantwortet und mich unterstützt hat. :)

Ankunft & erster Eindruck

Ankommen bei Sonnenaufgang – wie ich mich in der Villa sofort willkommen gefühlt habe

Am Flughafen habe ich meinen Fahrer zuerst nicht gefunden, aber mit Archies Hilfe hat dann alles geklappt. Die Fahrt war total entspannt. In der Villa angekommen, hat mich Uncle trotz der Uhrzeit (5 Uhr morgens) mit einem Welcome Drink begrüßt. Das habe ich so gar nicht erwartet, aber fand ich sehr süß. Insgesamt habe ich mich super aufgehoben und sehr wohl gefühlt.

Alltag im Krankenhaus

Von Hirntumor-OP bis Kindslage tasten – wie ich als Anfängerin mittendrin statt nur dabei war

Einen typischen Alltag kann ich so gar nicht beschreiben, weil die einzelnen Tage je nach Station und Schicht immer sehr individuell waren. Im ersten Monat, vor dem Start der Semesterferien, war ich meist vormittags eingeteilt, was mir wegen der höheren Patientenzahlen rückblickend auch am besten gefallen hat. Da ich ja noch kaum medizinisches Wissen/Können hatte, wurde mir meist auch keine spezielle Aufgabe zugeteilt. Ich war in erster Linie stille Beobachterin, aber auch so konnte ich viel sehen und lernen. Bei Fragen konnten wir uns immer an Ärzte oder Pflegepersonal wenden, die dann auch sehr bereitwillig und ausführlich erklärt haben, was gerade getan/besprochen wird. Ich hatte das Gefühl, dass es den Ärzten sehr am Herzen lag, uns so viel ihres Fachgebiets beizubringen, wie möglich. Zu den Patienten war der Kontakt meist schwierig, weil viele kein Englisch konnten, was aber nicht weiter schlimm war, weil wir sowieso nie allein mit den Patienten waren.

 

Unter ärztlicher Aufsicht hatten wir aber ab und zu auch Patientenkontakt. Zum Beispiel durfte ich in der Frauenklinik bei einer pränatalen Untersuchung die Kindslage im Bauch der Mutter äußerlich ertasten und die Herztöne hören. In der Onkologie durften wir verschiedene Tumore abtasten, als wir die präoperative Visite begleitet haben. Ab und zu konnten wir auch an Teaching Lessons der lokalen Studenten teilnehmen, die im Krankenhaus abgehalten worden sind, was immer super informativ war. Auf Nachfrage hat uns JD an einem Nachmittag auch die psychiatrische Station gezeigt, dort war der Kontrast zum deutschen Gesundheitssystem wohl am deutlichsten zu sehen, da psychische Erkrankungen in Sri Lanka kaum behandelt bzw. thematisiert werden.

Die meiste Zeit habe ich aber in den verschiedenen OP-Sälen verbracht. Zu den spannendsten Operationen gehörten eine Hirntumorentfernung, eine handplastische Rekonstruktion nach einem Unfall mit einer Flex oder ein Zwillingskaiserschnitt.

 

Was das Gesundheitssystem angeht, war ich positiv überrascht. Zwar waren die Standards – wie zu erwarten – niedriger als in Deutschland, insbesondere die Patientenaufklärung, Privatsphäre und der Infektionsschutz betreffend, aber dafür waren Versorgungslage und Heilungschancen besser, als ich mir vorgestellt habe. Da das gesamte Gesundheitssystem mit sehr wenig materiellen, technischen und medizinischen Ressourcen auskommen muss, müssen sich das ärztliche und pflegerische Personal viel mehr auf ihr eigenes Wissen verlassen. Dadurch hatte ich das Gefühl, dass Lernen und Lehren einen viel höheren Stellenwert als in Deutschland haben. Auch mir, einer absolut unwissenden und unerfahrenen Praktikantin, wurden immer respektvoll und geduldig alle Fragen beantwortet.

 

Gleichzeitig muss aber auch betont werden, dass einige OP-Situationen nichts für schwache Nerven waren und in Deutschland undenkbar wären. Immer mal wieder kam es vor, dass Patient:innen während der OP aufgewacht sind und die Anästhesie gar nicht im Raum war. Kleinere lokale Eingriffe wurden unter Schreien der Patient:innen einfach ohne Anästhetikum durchgeführt – so auch eine Amputation des großen Zehs. Der Umgang mit den Patientinnen der Frauenklinik war auch weniger sensibel, als man es aus Deutschland gewohnt ist. Nichtsdestotrotz bin ich dankbar für all die Erfahrungen, die ich sammeln durfte, da ich den Großteil dessen in Deutschland so wohl nicht erlebt und gelernt hätte.

Freizeit & Umgebung

Surfen, Safari, Sonnenuntergang – wie sich Klinikalltag und Abenteuer perfekt ergänzt haben

Unter der Woche waren wir so gut wie täglich nach oder vor der Schicht im Krankenhaus am Strand, meist im Shacks – entweder zum Surfen, zum Schwimmen oder einfach nur, um in der Sonne zu liegen. An Regentagen sind wir oft in die umliegenden Cafés in Unawatuna oder ins Fort gefahren. Der Pool war neben diesen Optionen natürlich auch immer ein super Ort für einen entspannten Nachmittag.

 

Abends haben wir, bevor das wöchentliche „Unterhaltungsprogramm“ eingeführt wurde, oft Werwolf gespielt. Gerade als es noch nicht so voll war, hat sich das Zusammenleben sehr familiär angefühlt und wir haben das meiste als große Gruppe gemeinsam unternommen. An den Wochenenden haben wir in Kleingruppen größere Ausflüge (meist auch mit Übernachtung) gemacht, um Sri Lanka so gut wie möglich zu erkunden. Dazu gehörten Safaris, ein Wandertrip nach Ella, Whale Watching (ohne Wale :/), Road Trips entlang der Südküste, eine Regenwaldführung oder eine Wanderung auf den Adams Peak. Wie man sieht, gab es wirklich eine Vielzahl an Möglichkeiten für die Freizeitgestaltung, und obwohl wir ständig unterwegs waren, habe ich nur einen Bruchteil des Landes gesehen. Super praktisch war es, dass Archie uns oft einen günstigen und komfortablen Transport organisieren konnte und immer erreichbar war, falls sich unterwegs Schwierigkeiten ergeben haben.

 

Ach ja – und natürlich dürfen auch die legendären Partynächte in den verschiedenen Clubs entlang der Südküste nicht vergessen werden. Insgesamt könnte ich mich bei diesen ganzen Erlebnissen nicht entscheiden, was mir am besten gefallen hat – die gesamte Zeit war einfach unvergesslich.

Gemeinschaft & Mitstudierende

Von WG-Feeling zu Villa-Vibes – wie aus Fremden echte Freunde wurden

Während des Zeitraums meines Praktikums hat sich die Gruppendynamik sehr verändert. Die ersten Wochen vor den Semesterferien, in denen wir knapp 30 Leute waren, haben sich sehr ruhig und familiär angefühlt. Wir kannten uns gegenseitig alle, haben viel zusammen unternommen und sind alle super miteinander ausgekommen. In den Untergrüppchen, die sich meist zimmer- und altersabhängig gebildet haben, sind über die Zeit richtige Freundschaften entstanden, die auch jetzt zurück in Deutschland weiter bestehen.

 

Je voller es wurde, desto unübersichtlicher und separierter ist das Zusammenleben geworden. Gerade durch die Aufteilung der Villen gab es immer wieder unnötige Diskussionen und es wurde schwieriger, gemeinschaftliche Abende/Aktivitäten außerhalb des „offiziellen“ Programms zu organisieren. Ich bin sehr froh, dass ich auch in dieser Phase Teil einer harmonischen Gruppe war und wir weiterhin viel zusammen unternommen haben. Das Miteinander im Krankenhaus war während der gesamten Zeit super. Durch die rotierende Einteilung hatte man immer wieder die Chance, neue Menschen etwas besser kennenzulernen und war nie allein unterwegs, was ein gewisses Sicherheitsgefühl geschaffen hat.

Mein Fazit

Mehr als nur ein Pflichtpraktikum – wie Sri Lanka mein Leben, Lernen und Denken verändert hat

Das Praktikum war auf fachlicher und persönlicher Ebene eine riesige Bereicherung. Medizinisch habe ich super viel gelernt und einen tollen Einblick in verschiedene Fachrichtungen bekommen, was bei einem Praktikum in Deutschland so wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre. Ich fühle mich nach dem Praktikum in meiner Entscheidung, Medizin zu studieren, bestärkt, weil ich einen weiterreichenden Einblick in verschiedene Tätigkeitsbereiche hatte und so für mich entscheiden konnte, ob ich mir eine solche berufliche Zukunft vorstellen kann.

 

Auch auf menschlicher Ebene habe ich viel dazugelernt – sei es über mich selbst und darüber, wer ich sein will, oder über zwischenmenschliche Beziehungen. Ich habe tolle neue Freundschaften geschlossen, die auch Monate später noch bestehen – nicht nur, weil wir gemeinsame Erinnerungen teilen, sondern auch ähnliche Zukunftspläne, Ziele und Interessen verfolgen.

 

Dementsprechend würde ich jedem nur ans Herz legen, zumindest einen Teil des Praktikums/Studiums mit travel4med zu machen. Das Praktikum hat meinen Horizont auf persönlicher und medizinischer Ebene unglaublich erweitert, und gleichzeitig musste ich mich kaum um organisatorische Aspekte kümmern. Weder im Vor- noch im Nachhinein oder während des Aufenthalts gab es Probleme, die ich allein bewältigen musste, wodurch ich all meine Energie in das Praktikum, in die Beziehungen zu den Menschen um mich herum und in das Erkunden eines neuen Landes stecken konnte.

 

Nichtsdestotrotz würde ich empfehlen, zumindest einen Monat des Pflegepraktikums in Deutschland zu machen, um Unterschiede zwischen den Gesundheitssystemen zu erkennen und zu verstehen – und auch auf den medizinischen Alltag in Deutschland realistischer vorbereitet zu sein. Ich habe den Monat in Deutschland vor meiner Reise mit travel4med gemacht, was ich im Nachhinein so auch weiterempfehlen würde, da dann der anstrengendere Teil bereits geschafft ist und schon erste OP-Erfahrungen in einem ruhigeren und saubereren Umfeld gesammelt werden können – was vielleicht ein sanfterer Einstieg ist.